Testbericht: Wicked Lair

Wicked Lair LogoEin kleines Totenschädel-Symbol leuchtet am unteren Bildschirmrand auf und vermeldet, dass ein Bossmonster Interesse hätte, in meinem Dungeon abzusteigen. Der Aufbau scheint überzeugt zu haben. Die Riesenspinne wird es sich vermutlich auf der dritten Ebene gemütlich machen und dort auf Beute warten. Find‘ ich gut, denn die Verteidiger in der Etage darüber lassen mittlerweile allzu oft Helden aus der Oberwelt durchkommen, die es auf meinen Dungeon-Chef und den Goldschatz auf der untersten Ebene abgesehen haben. Da kann ein hungriges Spinnentier nicht schaden. Einen Klick später spannt das haarige Biest sein Netz auf und legt sich auf die Lauer.

Diese Szene wird man in Wicked Lair häufiger erleben, wenn man es schafft, den schon Sekunden nach Spielstart beginnenden Angriffen aus der Oberwelt ein paar Minuten standzuhalten und den eigenen Dungeon auszubauen. Dann wird das düstere Kellerloch auch für mächtige Kreaturen attraktiv, die sich freiwillig der eigenen Armee anschließen. Wobei man hier von einem großen „Wenn“ sprechen muss. Schon auf dem zweiten der insgesamt vier Schwierigkeitsgrade können die Gegner zu einer ordentlichen Herausforderung werden. Gerade anfangs sind die Chancen hoch, schnell zu scheitern, weil Wicked Lair von Beginn an gar nichts erklärt. Nach der Auswahl des Modus (Town Attack oder Endlos) und der Schwierigkeit geht es ohne Umschweife los. Auf ein Tutorial, das jedes kleine Detail des Gameplays vorkaut, hat der Entwickler Stefan Pratter verzichtet.

Wicked Lair Screenshot 1Mehr Sein als Schein

Viel zu erklären gibt es im Grunde auch nicht. Oberflächlich gesehen kann man in Wicked Lair nicht mehr tun, als verschiedene Dungeon-Arten zu kaufen und den Keller so etagenweise tiefer in den Boden zu treiben. Spielt man die Basisversion, die kostenlos heruntergeladen werden kann, stehen drei Kerkerarten zur Verfügung, in denen jeweils vier verschiedene Monsterarten unterkommen können. Gegen die Zahlung von jeweils 89 Cent lassen sich zwei zusätzliche Pakete mit jeweils drei weiteren Dungeons freischalten. Wie tief man graben kann, hängt vom eigenen Goldvorrat ab. Jede Stufe wird teurer und in der Kasse klingelt es nur, wenn man angreifende Helden tötet oder plündernde Monster ihren Raubzug im über dem Dungeon liegenden Dorf überlebt haben.

Hier bin ich Chef, hier muss ich’s sein

Was zunächst recht simpel wirkt, entpuppt sich nach kurzer Zeit als überraschend komplex. Das liegt unter anderem daran, dass die Zahl der herbeigerufenen Monster pro Ebene auf drei begrenzt ist. Schon vor dem Neubau einer Ebene muss man also entscheiden, welche Rolle sie im Gesamtkonzept spielen soll. Möglich ist beispielsweise, dass man sie mit Verteidigern bestückt, die gegnerische Helden abfangen. Alternativ kann sie als Angriffsplattform dienen, wenn man Plünderer oder Verwüster herbeiruft. Wicked Lair Screenshot 2Eventuell möchte man auch den Dungeon-Herren in der untersten Ebene direkt unterstützen und Wesen heraufbeschwören, die zwar nicht kämpfen können, dafür aber Mana und Lebensenergie sammeln.

Ohne diese Hilfe kommt man auf lange Sicht nicht aus, da der Magier im Keller seine Sprüche ohne gesammeltes Mana nicht wirken kann und im Falle eines Durchbruchs der von oben kommenden Helden mangels selbstständiger Heilung schnell ins Jenseits befördert wird. Nur Verteidiger und Supporter genügen für den Sieg aber auch nicht, da das Spiel erst gewonnen ist, wenn das Dorf an der Oberfläche in Schutt und Asche liegt. Wer also nicht zumindest kurz überlegt, welche Strategie gerade am besten zur Situation passt, wird in Wicked Lair früher oder später kapitulieren müssen.

Damit ist der Entscheidungsspielraum jedoch noch nicht ausgeschöpft. Je größer der Dungeon wird, desto mächtiger ud zahlreicher werden die Zauber, die man wirken kann. Aber auch hier gilt es, auszuwählen. Von insgesamt 16 Sprüchen können nur vier erlernt werden. So stellt sich dann die Frage, ob ein Golem am Eingang der Schatzkammer nicht eventuell die bessere Wahl ist, als ein Feuerball, der viel Schaden verteilt und auch die stärksten Helden ins Jenseits befördert, dafür aber eine Menge Mana verschlingt. Im Überfluss gibt es den magischen Rohstoff im Grunde nie – genauso wenig wie genügend Gold. In Wicked Lair ist man deshalb zum Haushalten gezwungen. Eine neue Ebene, ein Upgrade für die Verteidiger, die Sammler oder die Angreifer? Der Nutzen jeder Aktion will vorher abgewogen werden, denn alles auf einen Schlag zu erledigen, ist zumindest anfangs kaum möglich.

Wicked Lair Screenshot 3Fazit: Endlich mal wieder ahnungslos

Wer in Wicked Lair nicht ständig dem Untergang seines Dungeons zusehen möchte, muss also mit Köpfchen spielen, Ressourcen jonglieren und den Auf- und Ausbau taktisch vorantreiben. Das macht die ach so simpel wirkende Dungeon-Simulation fordernd, aber auch befriedigend. Ist das Dorf besiegt oder der eigene Dungeon gefallen, lockt bereits der „New Game“-Button. Dass man sich die richtigen Strategien erst erarbeiten muss, finde ich persönlich äußerst angenehm. Zu oft behandeln mich aktuelle Spiele wie ein Kleinkind und zwingen mir eine Führung durch die Spielmechaniken auf, die mich schon nach fünf Minuten entnervt den Homebutton drücken lässt. Gerade dann, wenn das Spiel der x-te Abklatsch vom zehnten Remake ist und ich schon beim Startbildschirm weiß, was da auf mich wartet. Bei Wicked Lair ist das glücklicherweise nicht der Fall – in keiner Hinsicht.

Wicked Lair ist für iOS und Android erschienen. Hier die Links:

https://itunes.apple.com/de/app/id930146392?mt=8
https://play.google.com/store/apps/details?id=com.stefanpratter.wickedlair