Dieser Test wurde anno 2009 im damaligen rpg-fanatics-Forum veröffentlicht und aus gegebenem Anlass aus der Mottenkiste geholt.
Langsam schleiche ich durch den feuchtkalten Tunnel. Irgendwo hier muss er sein, ich kann ihn förmlich riechen. Nur die flackernden Fackeln an der Wand spenden etwas Licht und lassen immer wieder unheimliche Schatten über die Wände huschen. Ich fahre zusammen als etwas mit lautem, trockenem Knacken unter meinem Stiefel zerbricht. Verdammt! Die an die Wand gelehnten Überreste eines anderen Abenteurers hatte ich vollkommen übersehen. Nur weiße Knochen sind von ihm noch übrig. Ich hoffe ich habe mehr Glück als er.
Ein kurzes Stoßgebet, dann lausche ich in die Dunkelheit…Nichts, keine Schritte, kein Waffenklirren – man hat mich nicht bemerkt. Weiter! Aber vorsichtig!, sage ich mir. Doch ich habe den Fuß noch nicht wieder abgesetzt, da trifft mich ein Feuerball. Neben mir klafft ein mannshohes, schwarzes Loch in der Wand, so gut versteckt, dass es mir im mageren Licht der Fackeln nicht aufgefallen war. Jetzt bleibt keine Zeit zum Nachdenken! Ich drücke mich gegen die Wand, reiße einen Magieresistenztrank aus dem Gürtel und leere ihn in einem Zug. Mit dem Schwert voran springe ich in die Öffnung und werde von der Dunkelheit verschluckt. Wieder zischt ein glühende Zauber auf mich zu und ich erkenne meinen Gegner. Wutentbrannt stürze ich vorwärts, stoße die Klinge in seine Brust. Er weicht zurück, doch schon der nächste Schlag lässt ihn leblos zusammenbrechen. Noch bevor er ganz kalt ist, durchsuche ich seine Robe und finde das Buch nach dem mich mein Auftraggeber geschickt hat. Jetzt nur weg hier! Wer weiß, was noch in diesen Höhlen lauert…Als ich das Freie erreiche, ist es längst Nacht und Wind und Regen peitscht durch die Bäume. Glücklicherweise ist der Weg ins Dorf nicht weit. In der Taverne wartet ein Bier und eine gemütliche Runde Karten gegen den Wirt. Mal sehen, ob ich heute wieder umsonst speisen und nächtigen kann.
…
Nein, ich bin nicht gerade aus einem abgefahrenem Traum aufgewacht, sondern mein Handyakku braucht dringend eine Pause am Ladegerät. Das gibt mir ein wenig Zeit die Insel Freymore zu verlassen und euch meinen neuesten Glücksgriff für Apples Wunderkiste vorzustellen.
„The Quest“ schimpft sich das Spiel und gehört zu den besten Pferden im Stall des iPhone-Publishers Chillingo. Ganz frisch ist der Gaul allerdings nicht mehr, handelt es sich doch um die Portierung eines PDA-Hits. Dass es fast unmöglich ist einen Hit beim Transfer zwischen zwei artverwandten System vollkommen zu versauen, versteht sich fast von selbst. Trotzdem soll an dieser Stelle eine Beschreibung des Spiels nicht fehlen:
Zaubernde Babaren
Wie es sich für ein ordentliches RPG gehört, wird anfangs die Geschichte erklärt. Kurz umrissen: Der Gouverneur der Insel Freymore ist verschwunden, unter Umständen sogar tot, und ein Aufstand droht. Aus diesem Grund schickt der König seine Agenten. Sie sollen herausfinden, was auf Freymore vor sich geht und obwohl es sich beim eigenen Charakter um einen Neuling im Dienste des Königs handelt, wird auch dieser mit der heiklen Aufgabe betraut. Es liegt nun beim Spieler sein eigenes Alter Ego erschaffen. Gewählt werden darf aus fünf verschiedenen Rassen, die alle Vor- und Nachteile haben und für eine gewisse Spielweise geeignet sind. Dennoch ist es dem Spieler freigestellt, ob er aus einem babarischen Nogur einen Magier oder Dieb macht.
Einfluss haben darauf haben nicht nur die nach jedem Levelaufstieg auf Fertigkeiten zu verteilenden Punkte, sondern auch die eigene Spielweise. Nach jedem Level Up verbessern sich automatisch die Fertigkeiten, die vom Spieler am häufigsten verwendet wurden. Spricht der Nogur also den lieben langen Tag nur Angriffszauber, wird das mit der Zeit zu seiner Spezialität. Natürlich macht ein einzelner Zauber noch keinen Magier. Will der Spieler also weiterhin den Weg des zaubernden Babaren beschreiten, darf er nach dem Aufstieg die natürliche Dümmlichkeit des Nogur auch mit der Vergabe von Intelligenzpunkten ausbessern. Jeder andere hat die Qual der Wahl zwischen Strenght, Dexterity, Endurance und Personality.
Wohin des Weges, Wanderer?
Einmal in Freymore angekommen, wartet eine riesige 3D/2D-Spielwelt darauf entdeckt zu werden. Wälder, Sümpfe, Dungeons, Dörfer, Städte und sogar ein Schloss gehören zu den Orten die besucht werden können und müssen. Wie üblich gibt es dabei eine Menge Quests, die angenehm abwechslungsreich gestaltet sind – von der Aufklärung eines Mordes, über Botendienste bis zum Auftragsmord ist alles dabei. Dass die Quests häufig auf unterschiedliche Art gelöst werden können und das dies wiederum Einfluss auf den Spielverlauf hat, ist nur ein weiterer Punkt auf der langen Haben-Seite des Spiels.
In den weiträumigen Landschaften warten natürlich nicht nur Freunde auf den Spieler. Zahlreiche Gegner unterschiedlichster Art bevölkern Freymore und trachten dem Spieler nach seinem virtuellen Leben. Nicht selten werden sie dabei auch Erfolg haben, denn die Kämpfe sind nicht ohne und fordern eine Portion taktisches Geschick. Häufiges Speichern schadet natürlich auch nicht. Gekämpft wird rundenbasiert. Kommt man in die Nähe eines Gegners, schaltet das Spiel (das sonst in Echtzeit läuft, und sogar Tag und Nachtwechsel, sowie Wettereffekte kennt) automatisch um, was dem Spieler die nötige Zeit gibt, sich eine Taktik zurechtzulegen.
Wer sich nicht ständig mit Quests und Orcs (oder Dieben, oder Amazonen, oder, oder, oder…) herumschlagen will, kann auch auf ein Bier in die Taverne verschwinden. Eine solche findet sich in jeder Menschensiedlung und bietet neben der Möglichkeit, sich auszuruhen, auch das Glücksspiel. Dabei handelt es sich um ein Kartenspiel im Magic-Stil. Hat man sich für eine Runde gegen den Wirt entschieden, wird beiden Spielern eine Klasse zugewiesen. Diese entscheidet darüber, welche Karten im Spiel zur Verfügung stehen. Ziel ist es den Charakter des Wirts zu töten. Ist man erfolgreich kann man den doppelten Einsatz einsacken und eine weitere Runde spielen. (Vorsicht, Spielsucht ist eine ernste Krankheit. 😉 )
Einziges echtes Manko von „The Quest“ ist die Automap. Zwar wird automatisch jedes erkundete Gebiet auf der Karte mitgezeichnet, angezeigt bekommt man aber nur die nähere Umgebung. Gerade in der Eingewöhnungsphase kann man sich deshalb schnell verirren und nach eigentlich längst entdeckten Orten suchen. Hier hätte man nachbessern können, zumal technisch mehr möglich ist.
Ein weiter Negativpunkt ist, dass man sich trotz 3D-Umgebung nicht vollkommen frei bewegen kann. Wie bei id-Softwares Orcs&Elves geht es nur Feld um Feld vorwärts. Hier haben die Entwickler allerdings Softscrolling eingebaut, was das Ganze wesentlich angenehmer macht.
Fazit
„The Quest“ ist ideal für alle, die gern für Stunden in Fantasywelten abtauchen um dort den virtuellen Bewohnern das Leben zu erleichtern, ein paar Diebe zur Strecke zu bringen und dann vielleicht noch eine Stadt von einem Fluch zu befreien. Die Spieltiefe ist für ein Handyspiel unerreicht und kann locker mit anderen Genrevertretern, die auf dem PC entwickelt wurden, mithalten.
Wer allerdings schnelle Action ala Diablo sucht, ist hier gänzlich falsch beraten. „The Quest“ gehört definitiv zu den Spielen, in die man Zeit investieren muss, um ihre Qualitäten auszukosten. Schnell mal den Skelettkönig auf Stufe 10 des Dungeons meucheln, ist da nicht drin.
Sollte also der DSA-Abend mit Freunden mal wieder ins Wasser fallen und ihr habt 4.99€ und knappe 9 MB auf eurem Hosentaschen-Apple über, bietet „The Quest“ eine unterhaltsame Alternative. Ein echter Leckerbissen…
Wem das nicht reicht, der sollte sich dieses Youtube-Video zu Gemüte führen.